Die Heiratsvermittlerin (The Matchmaker) Farce in 4 Akten von Thornton Wilder Fotos
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Yonkers und New York
Beginn der achtziger Jahre des 19. Jh.
Thornton Wilder (17.4.1897 - 7.12.1957)
erhielt als Sohn kalvinistischer Eltern seine Schulbildung auf deutschen Missionsschulen in Hongkong und Shanghai, wo sein Vater Generalkonsul war, und in Berkeley, Kalifornien. Er studierte Archäologie und Französisch in Amerika und Europa, lehrte französische Literatur, war Professor für Klassische Literatur in Chicago und für Poesie in Harvard und wurde mit zahlreichen Friedenspreisen ausgezeichnet.
Thornton Wilder gehört zu den weit über die USA hinaus bekannten Klassikern des amerikanischen Theaters. Als Dramatiker war er ebenso erfolgreich wie als Romancier - dreimal wurde er mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet: 1927 für seinen Roman Die Brücke von San Luis Rey, 1936 für sein erstes abendfüllendes Theaterstück Unsere kleine Stadt und 1942 für sein Schauspiel Wir sind noch einmal davongekommen - beides universale Gleichnisse über Geburt, Liebe und Tod.
Für seine Theaterstücke übernahm er Anregungen aus antiken Tragödien, mittelalterlichen Mysterienspielen, dem modernen Revuetheater und dem Marionettenspiel. Erst relativ spät entdeckte er auch Themen aus der Gegenwart als Stoff für seine oft ironisch-realistischen Stücke. 1938 inszenierte Max Reinhard in New York Wilders Komödie Der Kaufmann von Yonker, der Nestroys Posse Einen Jux will er sich machen (1842) zugrunde liegt, die ihrerseits auf ein englisches Original Well Spent Day (1834) von John Oxenford zurückgeht. Später schrieb er eine Neufassung des Stückes und brachte es unter dem Titel Die Heiratsvermittlerin, die als Vorlage für das Musical Hello Dolly! von Jerry Herman (1964) diente, 1954 in Edinburgh zur Uraufführung.
Die Heiratsvermittlerin
Diese 1954 uraufgeführte Farce in vier Akten ist eine Huldigung des amerikanischen Dichters an des Geist des Wiener Volksstückes. Die Handlung folgt fast genau derjenigen von Johann Nestroys berühmter Posse Einen Jux will er sich machen: Die Posse vom reichen Provinzler, der sich im biedermeierlichen Wien einen Jux machen will, macht Thornton Wilder zur Farce von der Heiratsvermittlerin Dolly Levine, die sich im New York von 1880 und seinem verschlafenen Vorort Yonkers (dessen Gründung im 17. Jh. auf einen holländischen Edelmann zurückgeht, der "De Jonkheer" - der Junker - genannt wurde) mit Resolutheit und Raffinesse das beste Objekt selber sichert - den zwar schrullig-eitlen aber wohlhabenden Kaufmann von Yonkers, Horace Vandergelder.
Geld - es ist wie das Sonnenlicht über uns
Jemand, der aufhört zu werben, um Geld zu sparen, könnte genauso gut seine Uhr stehen lassen, um Zeit zu sparen (Henry Fonda).
Der Kaufmann hat in der ganzen Welt dieselbe Religion: Sein Kontor ist seine Kirche, sein Schreibpult ist sein Betstuhl, seine Bilanz ist seine Bibel, sein Warenlager ist sein Allerheiligstes, sein Geld ist sein Gott, der Kredit ist sein Glauben (Heinrich Heine).
Das Geld, das man für seine Hochzeit ausgibt, ist sehr häufig die erste Einzahlung in die wechselseitige Lebensverbitterungsanstalt (Johann Nestroy).
Die Gegenwart ist das Bargeld der Zukunft (Werner Mitsch).