Die zwölf Geschworenen (Twelve angry men) von Reginald Rose Fotos
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New York, Geschworenenzimmer eines Bezirksgerichts – Gegenwart
Bereits 1958 hat der am 10.12.1920 in New York geborene amerikanische Drehbuchautor und Dramatiker Reginald Rose eine Filmgattung vorweggenommen, die erst fast ein halbes Jahrhundert später populär wurde: das Echt-Zeit-Drama. Er führt mit seinem außergewöhnlichen Gerichtsdrama „Die zwölf Geschworenen“, das auf einem authentischen Fall basiert, ein leidenschaftliches Plädoyer gegen menschliche Voreingenommenheit und leichtfertige Kategorisierung: Abgeschottet, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt sollen 12 Geschworene ein einstimmiges Urteil über einen Neunzehnjährigen fällen, der angeklagt ist, seinen Vater ermordet zu haben. Man ist sich schnell einig und plädiert für die Schuld des Angeklagten. Nur der Geschworene Nr. 8 hegt unter dem Protest der anderen Zweifel an der Prozessführung auf Grund nicht übereinstimmender Zeugenaussagen… Die anfängliche Selbstsicherheit der anderen beginnt zu bröckeln, bald sind sie bis zur Weißglut zerstritten.
Reginald Rose zeichnet ein subtiles Psychogramm einer „geschlossenen Gesellschaft“, in der sich unversehens der einzelne mit sich selbst konfrontiert sieht – sei es als Geschworener auf der Bühne oder als Besucher im Zuschauerraum: Das Spiel wird zum Gewissenstest (Horst Budjuhn)
Ohne einstimmiges Urteil aber darf kein Richter einen Angeklagten auf den elektrischen Stuhl schicken. Hierin liegt die ethische Verpflichtung jener zwölf Geschworenen, die immer Gültigkeit hat: Der „begründete Zweifel“, auf dem jede Rechtsordnung in einer demokratischen Verfassung beruht! Sein Verfechter im Stück drückt es so aus: „Es ist möglich, dass wir einen Verbrecher in die Gesellschaft zurückführen. Wer will dafür garantieren? Aber wir haben einen begründeten Zweifel, und darin liegt eine unschätzbare Sicherheit für unser ganzes System. Verstehen Sie, was das heißt? Wir dürfen zweifeln. Unsere Freiheit beruht darauf. Kein Geschworener in diesem Land darf einen Menschen für schuldig erklären, wenn er sich nicht sicher ist.“
Zur österreichischen Erstaufführung am Burgtheater schrieb Hans Weigel das Geleitwort: „Hier diskutiert sich am simplen Fall die Demokratie selbst, geht bei sich selbst in die Lehre, gewinnt fundamentale Einblicke in ihr Wesen, ihre Größe und ihre Gefährdung – und dies alles ganz und gar ohne lehrhafte Gemeinplätze, nur an Hand eines spannenden Kriminalfalls. Wo gibt’s das sonst? Die zwölf Menschen in ihrer Klausur werden zu Aposteln einer großen Botschaft, zum klassischen Modellfall.“